THEMA: Gedanken zur Familienpolitik und Jugendkriminalität [Februar 2008]

Die Vorfälle in der Münchner U-Bahn und anderen Großstädten haben das Thema Jugendkriminalität wieder ans politische Tageslicht gebracht und wurde von dem noch amtierenden hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch in den hessischen Wahlkampf mit aufgenommen. In einer solchen Debatte bewegt man sich auf dünnem Eis, das bei unüberlegten Aussagen schnell einzubrechen droht. Deswegen möchte ich auf dieses Thema sehr differenziert eingehen.

  • Jugendliche mit Migrationshintergrund scheinen großen Anteil an Jugendkriminalität auszumachen
    Ausländische Jugendliche mögen deutlich öfter gewaltbereit sind als andere. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass auch deutsche Jugendliche betroffen sind.
  • Jugendkriminalität ist eng mit der Integrationsproblematik verknüpft
    Viele unserer jungen deutsch-türkischen Mitbürger durchleben nicht selten eine Identitätskrise, d.h. sie fühlen sich keiner Nation hundertprozentig zugehörig.
  • Stichwort: Strafmaß
    Um dieser anhaltenden Gewaltwelle entgegenzusteuern, ist es notwendig, sich über die Art und Weise der Bestrafung Gedanken zu machen. Sie einfach wegzusperren ist keine Lösung. Deswegen wäre es vernünftig, eine Lösung zu finden, die Opfer und die Täter berücksichtigt. Tätern sollen während ihrer Freiheitsstrafe Werte vermittelt werden, die sie schlussendlich gesellschaftsfähig machen und sich selbst dann gewaltfrei verwirklichen zu können.
  •  Sonderfall: Jugendliche mit Migrationshintergrund und dickem Vorstrafenregister
    Immigrierte Jugendliche mit zahlreichen Vorstrafen sollte die Möglichkeit der Abschiebung in Erwägung gezogen werden. Immigranten, die sich nicht an gewisse Werte und Normen halten, sollte man das Gastrecht entziehen dürfen.
  • Eltern in spürbare Verantwortung nehmen
    Eltern müssen deutlicher in Verantwortung genommen werden. Wenn Eltern ihrer Rolle nicht mehr gerecht werden bzw. nicht mehr bewusst sind und resignierend den "Werdegang" ihrer Kinder beobachten, dann sollten Eltern explizit darauf aufmerksam gemacht und stärker in der Erziehung unterstützt werden. Das Versagen des Elternhauses darf nicht gleichgültig hingenommen werden. Vielleicht sollte man in Extremfällen sogar die Wertevermittlung dem Staat übergeben.

Ergänzung: Bei Interesse können Sie gerne im Folgenden sich weiter mit diesem Thema beschäftigen. Dort finden Sie weitere Informationen und Links zu kompetenten Webseiten...

Deutsches Jugendinstitut: http://www.dji.de
Forschung über Kinder, Jugendliche und Familien an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis

  • Wissen A-Z: Jugendkriminalität: »Nicht jeder Jugendliche, der mal etwas anstellt, ist gleich ein „Krimineller“. Doch wird ein Jugendlicher bei einem Ladendiebstahl im Kaufhaus oder beim Schwarzfahren im Bus erwischt, wird sein Fehlverhalten als ein Fall von „Jugendkriminalität“ registriert. Jugendkriminalität ist juristisch schnell definiert und statistisch gut erfasst; den Medien ist sie lieb und teuer, dem Staat kommt sie teuer zu stehen.«
  • Ursachen: »Gesetzesverstöße und Straftaten haben keinesfalls nur eine Ursache. In den meisten Fällen handelt es sich um weit verbreitete aber vorübergehende Phänomene, die der normalen Persönlichkeitsentwicklung zugerechnet werden müssen. So verstoßen laut Dunkelfeldforschung 95 % aller männlichen Jugendlichen mindestens einmal gegen Gesetze. Die wenigsten werden allerdings erwischt. Und bei den meisten Jugendlichen verschwinden diese gesetzeswidrigen Verhaltensweisen nach einer kurzen Episode von allein. Nicht so einfach ist die Frage nach den Auslösern und Hintergründen bei der Gruppe der jugendlichen Vielfachtäter zu beantworten. Psychische Defizite, Gewalt in der Familie, Armut, familiäre Sprachlosigkeit und Vernachlässigung, ein problembehaftetes Wohnumfeld, schulische Defizite, soziale Benachteiligung, ethnische Probleme, mangelhafte Sprachkenntnisse bei ausländischen Jugendlichen können ebenso eine Rolle spielen wie schlechte Ausbildung, fehlende Zukunftsperspektiven und sozialer Neid. Auch eine überreagierende, unnachsichtige Justiz kann bei jungen Menschen eine Katastrophe anrichten und die bestehenden Probleme noch verschärfen. Genauso wenig hilfreich für die Bekämpfung von Jugendkriminalität ist die „Skandalisierung“ einzelner jugendlicher Straftäter in der Öffentlichkeit, die den Medien zwar Schlagzeilen bringt, genauso wie der Ruf nach härteren Strafen den Politikern Wählerstimmen. Aber wichtiger ist es, dass sich Strafverfahren nicht zu lange hinziehen, denn sonst kann ihre erzieherische oder abschreckende Wirkung verpuffen. In Anbetracht dieser Entwicklungen und Bedingungen kommt den verschiedenen Ansätzen und Modellen der Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention eine besondere Bedeutung zu.«


Der Tagesspiegel: http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Fragen-des-Tages-Jugendgewalt;art693,2451293
{Link veraltet — siehe Artikel im Tagespiegel Archiv — leider mit einer Zahlungsbarriere, Nachtrag im August 2018}
Jugendgewalt zwischen Tatsachen und Populismus (Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 07.01.2008)